Fernmeldegeheimnis auch für E-Mails?

23.04.2000 Informationsquelle

Neue Zürcher Zeitung, INLAND, Donnerstag, 06.04.2000 Nr.82 Die Dienste von Internet-Providern fallen laut einem neuen Urteil des Bundesgerichts unter das Fernmeldegeheimnis, weshalb der E-Mail-Verkehr im Rahmen einer Strafuntersuchung nur unter den gleichen strengen Voraussetzungen überwacht werden darf wie ein Telefonanschluss. Insbesondere sind eine gesetzliche Grundlage und eine richterliche Genehmigung erforderlich. fel. Lausanne, 5. April Die Bezirksanwaltschaft Dielsdorf und die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich hatten den Internet-Provider Swiss Online AG aufgefordert, der Polizei in einer Strafuntersuchung wegen Erpressung Auskunft über den wahren Absender einer gefälschten E-Mail zu erteilen. Die kantonalen Behörden beriefen sich dabei auf § 103 der zürcherischen Strafprozessordnung und machten geltend, anders als bei der Telefonüberwachung sei für die Bekanntgabe des Absenders einer E-Mail keine vorgängige richterliche Genehmigung erforderlich. Diese Auffassung teilt nun aber das Bundesgericht nicht, welche am Mittwoch eine staatsrechtliche Beschwerde des Internet- Providers einstimmig gutgeheissen hat. Im Verlaufe der auf hohem fachlichem Niveau geführten Urteilsberatung gelangte die I. Öffentlichrechtliche Abteilung einhellig zum Schluss, dass das in der neuen Bundesverfassung (Art. 13 Abs. 1) nun etwas allgemeiner als früher formulierte Fernmeldegeheimnis auch den E-Mail-Verkehr umfasst. Dass die Geheimsphäre in diesem Bereich möglicherweise leichter zu durchbrechen ist als bei traditionellen Informationsbeförderungen, ändert daran nichts: Jedenfalls im Rahmen des technisch Möglichen muss auch das E-Mail- Geheimnis gewahrt werden. Ebenso unerheblich bleibt, dass im konkret beurteilten Fall der Inhalt der E-Mail den Behörden bereits bekannt war und nur noch nach dem wahren Absender geforscht wurde. Es verhält sich hier wie bei den sogenannten Randdaten in der Telefonüberwachung (Teilnehmeridentifikation), die ebenfalls dem Fernmeldegeheimnis unterstehen. - Das bedeutsame höchstrichterliche Verdikt hat zur Konsequenz, dass der E-Mail-Verkehr - und wohl auch andere Formen der Kommunikation per Internet - von den Strafbehörden nur überwacht werden darf, sofern es um die Verfolgung schwerer Straftaten geht und eine richterliche Genehmigung vorliegt (Art. 179octies Strafgesetzbuch). Zudem muss der Eingriff in die Privatsphäre auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, im öffentlichen Interesse liegen und im Rahmen der Verhältnismässigkeit bleiben. Im konkret beurteilten Fall fehlte es jedenfalls an der erforderlichen richterlichen Genehmigung, weshalb die staatsrechtliche Beschwerde der Swiss Online AG gutgeheissen werden musste. Es liegt nun an den Strafverfolgungsbehörden des Kantons Zürich, den verfassungsrechtlich korrekten Verfahrensweg zur Lüftung des Fernmeldegeheimnisses ausfindig zu machen. Der erwähnte § 103 der zürcherischen Strafprozessordnung jedenfalls eignet sich dafür aus Sicht des Bundesgerichts nicht. Diese Bestimmung regelt die Beschlagnahme von Papieren und Gegenständen, die sich bei Dritten befinden. Ebensowenig taugt die allgemeine Auskunfts- und Mitwirkungspflicht, da es nicht um vorhandenes Wissen der Verantwortlichen von Swiss Online AG geht, sondern um Informationen, die technisch aufwendige Nachforschungen erfordern. Und schliesslich gibt laut dem Urteil aus Lausanne auch das eidgenössische Fernmeldegesetz keine Grundlage für die konkrete Anordnung einer E-Mail-Überwachung ab. Diese muss vielmehr in den jeweiligen Strafprozessordnungen von Bund und Kantonen gesucht (oder allenfalls noch geschaffen) werden. Urteil 1A.104/1999 vom 5. 4. 00 - schriftliche Begründung noch ausstehend.

23.04.2000, Providerliste Admin